Meine Krankheitsgeschichte

Eintrag vom 6. Januar 2025

Im Juli 2015 wurde bei mir ein Nierenkarzinom diagnostiziert. Fragen, wie z.B. „Wieso ich? Wieso nicht irgendein rauchender Alki oder Penner?“ schossen mir in den Sinn, wobei ich genau wusste, dass es so gut wie keine Korrelation zwischen dieser Erkrankung und irgendwelchen Lebensweisen gibt! Etwa 80% aller Krebserkrankungen sind rein zufällig. Der Tumor wurde kurz darauf samt Niere entfernt.

Im August des Jahres 2021 wurden im Rahmen eines regelmäßen Screenings in meiner Lunge zwei Metastasen entdeckt, die im April des nächsten Jahres auch erfolgreich operiert werden konnten. Leider haben die Onkologen einer renommierten Berliner Klinik mir nicht geraten, auch ein CT oder MRT meines Kopfes machen zu lassen – mit gravierenden Folgen. 

Im Dezember 2022 hatte ich eine Gehirnblutung (siehe Kapitel „An dem Tag, als alles anders wurde“). Ich wurde nach Neubrandenburg für eine Not-OP und eine Woche später nach Greifswald zur Früh-Reha in die BDH-Klinik gebracht.

In Greifswald haben sie mir alles, was für ein selbstständiges Leben notwendig ist, wieder beibringen müssen. Essen, Sprechen, Laufen, Waschen, Anziehen. „Anna“ war das erste Wort, das ich wieder sprechen konnte.

Im März kam der erste Tiefschlag – bei mir wurde im Kopf eine Metastase gefunden, die die Gehirnblutung ausgelöst hat. Also wieder operieren! Und das in der Hauptzentrale, dem Gehirn! Meine Hauptsorge damals war, dass ich alles, was ich mir mühsam wieder angeeignet hatte, umsonst war und ich wieder bei Null beginnen müsse.

Am Wochenende vor der OP bekam ich (wirklich überraschend) Besuch von meiner Schwester – ich habe mich so irre gefreut… Einige Tage darauf lag ich in der Uniklinik Greifswald auf dem OP-Tisch. Gleich nach der OP habe ich getestet, ob ich noch all das kann, was ich mir wieder erarbeitet habe. Die Erleichterung, dass das der Fall war, könnt Ihr sicherlich nachvollziehen. Nach einer kurzen Rückkehr in die BDH ging es dann nach Hause.

Unser Haus ist nach DIN keineswegs „rollstuhlgerecht“. Wir haben uns entschlossen, es dennoch bei minimalen Umbaumaßnahmen zu belassen. Das einzige, was zu tun war, war eine Schiebetür auszuhängen und das Wohnzimmer in ein Schlafzimmer umzuräumen – also Couch raus, Bett rein. Bei meiner Heimkehr war der erste Erfolg, dass die Treppenstufen und der „Gang“ auf die Toilette gemeistert wurden. Wenige Tage später versuchte ich, alleine zu duschen. Hochkonzentriert, gut vorbereitet und unter den wachsamen Blicken meiner Frau nahm ich dieses Vorhaben in Angriff. Nach dem erfolgreichen Test riss ich meine Arme nach oben – zumindest war das meine Absicht. Ich hatte für einen Augenblick vergessen, dass ich meinen rechten Arm nicht bewegen konnte.

Eine der ersten Aktion war der Einbau von zwei Sprossenwänden. Neben den Übungen, die wichtig für mich waren und sind, kann man eine Sprossenwand auch „zweckentfremdet“ nutzen. Zum Anbammeln von Jacken und Hosen, zum Anhängen und Ablegen von (unnützen) Dingen. Fazit: in jedem Haushalt sollte unbedingt eine Sprossenwand montiert werden!

Im Mai 2023 wurde mein Kopf einer Bestrahlung unterzogen. Jeden Tag, 13 mal insgesamt. Das alles ging relativ glatt über die Bühne, ich hatte keinerlei Nebenwirkungen, außer den Verlust meiner Haare. Aber die hatte ich mir eh kurz geschoren …


Im Juni 2023 schloss sich eine sogenannte Anschlussheilbehandlung an, die auch in der BDH-Klinik in Greifswald, also in einer mir vertrauten Umgebung, stattfand. Am letzten Wochenende des Klinik-Aufenthalts wurde meine Krücke (offizielle Bezeichnung: Unterarmgehstütze) geliefert. Endlich konnte ich laufen lernen (wie komisch das sich anhört), das habe ich sofort auf dem Uferweg der Ryck (oder heißt „des“?) ausprobiert. 200m habe ich an jenem Tag an einem Stück geschafft! Wahnsinn!!!

 
Im Herbst 2023 war ich bei einem Onkologen, welcher mir eine sogenannte Immuntherapie empfahl. Man versucht über eine Immuntherapie, das eigene Immunsystem zu aktivieren und so die Tumorzellen zu bekämpfen. Das bedeutet alle sechs Wochen eine Infusion. Auch während dieser Therapie hatte ich keine Nebenwirkungen.

Im Februar 2024 machte ich meine erste Fahrt alleine mit der Straßenbahn zu meiner ambulanten Reha. Vorher war ich schon einige Male zusammen mit meiner Frau mit den „Öffentlichen“ unterwegs. Aber DAS war völlig anders – auf keine Hilfe angewiesen zu sein, unabhängig, selbstbestimmt, mobil.  Es sind nur wenige Stationen bis zu meiner Reha-Einrichtung und meinem Institut, die stehe ich lieber, als dass ich sitze. Natürlich geht das nur, wenn ich mich festhalte. Aber immerhin! Das bedeutet „Freiheit“ für mich ganz persönlich!

Im März 2024 hatte ich einen epileptischen Anfall. Ich war nicht ansprechbar, als mich der Notarzt untersuchte. Ich wurde für einige Tage im Klinikum behandelt. Meine Neurologin erklärte mir nach dem Vorfall, dass das nicht selten vorkommen würde. Das Gehirn spielt faktisch verrückt! Mit den Nachwirkungen des Anfalls hatte ich noch einige Wochen zu kämpfen. Und er warf mich zurück, vor allem sprachlich.

Seit November ´24 versuche ich mich im Haus maßgeblich ohne Hilfsmittel zu bewegen. Und weil ich vorhin meine ersten Schritte mit der Krücke erwähnt habe – mein momentaner Streckenrekord liegt bei 3,5 km, dafür brauchte ich knapp zwei Stunden. Das kann ich natürlich nicht täglich absolvieren und auch nur, wenn ich wirklich fit und ausgeruht bin.

Seit reichlich anderthalb Jahren mache ich, wenn keine anderen Termine anliegen, jeden Tag eine Stunde „Sport“. Insgesamt sind das 18 Übungen, die ich auf meinem sogenannten „Schwabbelboard“ (einem Vibrationsbrett), an der Sprossenwand, in meinem Rollstuhl oder auf meinem Bett absolviere – entweder im Sitzen oder im Stehen. Die Übungen sind mit meinen Therapeuten abgesprochen.